Kaninchen werden oft spontan fuer Kinder gekauft, weil sie soo suess sind und angeblich so leicht zu halten. Allerdings haben sie, wie fast alle kleinen Heimtiere, nur einen begrenzten Unterhaltungswert, der sich in den meisten Faellen darauf beschraenkt, dass sie auf den Arm genommen und gestreichelt werden koennen.
Was bei der Kaninchenhaltung trotzdem geballt schief laufen kann, zeigte uns letzte Woche die Loewenkoepfchenhaesin, die von der total aufgeloesten Mutter dreier Kinder in unsere Tierheilpraxis gebracht wurde.
Sie sei ploetzlich umgekippt und die Besitzerin konnte sich gar nicht erklaeren, warum. Bei ihren Versuchen, sie wieder auf die Beine zu stellen, sei ihr aber aufgefallen, dass sie sehr duenn sei.
Duenn war allerdings nicht ganz der richtige Ausdruck, sie bestand nur noch aus Haut und Knochen.

Ich hoffe, man kann erkennen, wovon ich spreche
Bald war offensichtlich, dass die drei Jahre alte Haesin seit geraumer Zeit nur noch ein Aussenseiterdasein fristete. Draussen in einer Kiste. Sie hatte sich nicht mehr anfassen lassen, war aggressiv geworden, wohl weil sie Junge gekriegt hatte, die allerdings tot geboren wurden. Wie sich herausstellte vom eigenen unkastrierten Bruder, der damals noch lebte, aber inzwischen verstorben ist.
Nein, sie hatte immer genuegend pelletiertes Futter und eine Wasserflasche als Dauertraenke zur Verfuegung.
Unsere Untersuchung ergab: Keine Zahnanomalien, Nahrungsreste im Maul feststellbar, Augen, Ohren und Nase sauber, ohne Sekret, Herzschlag regelmaessig und kraeftig, kaum Muskelwiderstand, kein Durchfall, aber, wie oben gesagt in einem erbaermlichen Ernaehrungszustand.
Wir kennen die Frau inzwischen sehr gut, noch nie machte eines ihrer Tiere einen verwahrlosten Eindruck. Mit diesem Kaninchen lag aber offensichtlich alles im Argen.
Eine schwierige Situation fuer uns.
Wir sagten ihr auf den Kopf zu, dass wir ihre Angaben fuer Schutzbehauptungen hielten und dass wir den Fall normalerweise dem Tierschutz melden muessten, mit der Konsequenz, dass auch die Haltung ihrer anderen Tiere ueberprueft und eventuell in Frage gestellt wuerde.
Wir erklaerten ihr, dass die Ueberlebenschancen der Haesin lediglich bei 15% laegen, aber auch nur, wenn sie in den naechsten Tagen von uns versorgt wuerde.
Die Besitzerin stimmte zu, unsere Anforderungen, die darin bestanden, das Kaninchen regelmaessig zur Ueberpruefung des Gesundheitszustandes bei uns vorzustellen, zu erfuellen, falls es uns gelaenge, es in den naechsten Tagen in einen stabilen Zustand zu bringen. Ansonsten bestuende unsere Androhung, ihr das Kaninchen wegzunehmen, mit allen beschriebenen Konsequenzen.
Wir verabreichten zunaechst ein homoeopathisches Staerkungsmittel, um den Lebenswillen zu erwecken. Es bekam bis in die Nacht hinein alle halbe Stunde natuerliche Mineralstoffe, Vitamine, Aufbaupraeparate und natuerlich Trinkwasser ins Maul verabreicht. Schon nach kurzer Zeit muemmelte es begierig an Karotten, Salat und gutem Heu.
Am naechsten Morgen mussten wir der Loewenkoepfin zunaechst auf die Beine helfen, bis zum Abend machte sie schon den ersten Hoppeler. Und am dritten Tag erkundete sie selbsttaetig das Zimmer und putzte sich zum ersten Mal. Ein kurzfristig auftretender Durchfall verschwand nach wenigen Stunden und wir fanden wieder wohlgeformte Koetel.
Ach ja – waehrend sie bei uns war, zeigte sie nicht das kleinste Anzeichen von Aggression!
Unsere Gewichtsueberpruefung ergab, dass sie innerhalb von vier Tagen immerhin 140g zugenommen hatte. So konnten wir sie, zusammen mit einer Liste von geeigneten Nahrungsmitteln und wiederholten Ermahnungen, an die weinende Besitzerin zurueckgeben. Mal sehen, wie es mit der Muemmeline weiter geht.
Uebrigens erzaehlte uns die Besitzerin noch, sie habe zusaetzlich mit einen Tierarzt gesprochen, der ihr am Telefon erklaerte, das Kaninchen habe einen Schlaganfall erlitten.
Unglaublich, Ferndiagnose via Ferngespraech, dass der das darf!
Darf der das?
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9.115791
Frische Anmerkungen