Herr Teddy schrieb einen Kommentar zu meinem Artikel Pferdefleisch, den ich aufgreifen moechte, um noch einmal etwas ausfuehrlicher auf die von ihm angesprochene Moral in unserer heutigen Gesellschaft einzugehen.
Vergleiche zwischen frueher und heute sind durchaus legitim.
Sie zeigen uns viel über uns und unsere Einstellung zu Tieren und speziell zu Schlachttieren.
Weit verbreitet war es frueher, dass man sich auf dem Lande ein oder mehrere Schweine hielt. Sie frassen die Abfaelle, die bei der Zubereitung des Essens anfielen – Kartoffelschalen, Kohlstruenke, Brotreste. Zusaetzlich wurden sogenannte Schweinekartoffeln gekocht, runzelige, kleine Kartoffeln, die sich in der Kueche nicht gut verarbeiten liessen.
Getreideschrot wurde dem Schweinefutter zugegeben. Das Schwein galt als Allesfresser, Industriefutter war praktisch unbekannt.
Das Hausschwein musste nicht in kuerzester Zeit gemaestet werden und wurde traditionell an einem kalten Wintertag an Ort und Stelle geschlachtet. Auch das unter bestmoeglicher Vermeidung von Stress fuer das Tier, wohl wissend, dass Stresshormone den Schinken verderben.
Die ganze Familie half bei diesem Schlachtefest mit und die Nachbarschaft wurde mit Pingelwuersten versorgt. Vom Schwein wurde alles verarbeitet, der Schinken hatte Zeit zum Reifen und wurde zu Pfingsten angeschnitten.
Damals war es selbstverstaendlich, die Schweine gut zu behandeln, wusste doch jeder, dass sich das positiv auf den Gesundheitszustand, das Wachstum und die Fleischqualitaet auswirkte.
Ich will hier nicht die gute alte Zeit verklaeren, immer schon gab es verrohte Menschen, die Tiere quaelten. Allerdings herrschten auch andere Gesellschaftsstrukturen als heute, so dass diese regelmaessig im Abseits landeten. Hatten sie beruflich mit Tierzucht oder -mast zu tun, standen Misserfolge ins Haus, der Hof geriet schnell in die Insolvenz.
Heute werden schlechte Haltungsbedingungen bis zu einem gewissen Mass durch medikamentoese Behandlungen kaschiert, zudem ist die Mastdauer auf wenige Monate begrenzt, will sagen, dass einige gesundheitliche Probleme in dieser Zeit gar nicht gewuerdigt werden, sie zaehlen nicht, was den Fleischzuwachs angeht. 😦
Ueber Fleischqualitaet muessen wir hier wohl nicht sprechen, was zaehlt, ist Quantitaet und Preis. 😦
So habe ich jetzt auch den Bogen zu unserer Tierheilpraxis geschlagen. Wir reden uns den Mund fusselig, um Tierhaltern klar zu machen, wie wichtig es ist, ihren Tieren artgerechte Haltungsbedingungen und eine artgerechte Fuetterung zukommen zu lassen. Wichtig fuer ihr Wohlergehen.
Schlimm, wie es die Futtermittelindustrie in den letzten paar Jahrzehnten geschafft hat, den Tierbesitzern zu suggerieren, dass sie ueberhaupt nicht in der Lage sind, die Verantwortung fuer eine gesunde Tierfuetterung zu uebernehmen.
Ja, in der Tat haben sich die Zeiten geaendert.
Es gibt keine Ackerpferde mehr, fuer deren optimalen Gesundheitszustand der Bauer zu sorgen hatte, schon allein deshalb, weil die Existenz seines Betriebes davon abhing. Selbstverstaendlich durfte das Pferd geschlachtet werden, nicht zuletzt, damit von den paar Talern, die der Verkauf an den oertlichen Rossschlachter erbrachte, Investitionen getaetigt werden konnten.
Heute werden die lieben Haustiere verhaetschelt und mit Leckerchen versorgt, duerfen bei Regenwetter nicht mehr nach draussen, bis sie von all der Tierliebe krank werden.
Auf der anderen Seite vegetieren die Schlachttiere zu Millionen hinter verschlossenen Tueren, ohne Tageslicht, degeneriert zu Fleischproduktionsmaschinen – und wir, die ach so tierliebenden Menschen, kaufen sie portioniert direkt aus dem Kuehlregal fuer kleines Geld, ohne noch irgendeinen Bezug zu ihnen zu haben.
Schoene neue Welt!
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Frische Anmerkungen