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Wer ist in der Urne? V.

Nachdem Frau Gramschatz den blutigen Stuhl in Beckys Körbchen gesehen hatte, ist sie voller Panik wieder zum Tierarzt gefahren. Sie hatte ihre Tochter vorher noch nicht erreichen können und war somit beim Besuch in der Praxis mit der Verantwortung für Becky ganz alleine.

„Er hat mir erklärt, dass sie leidet und dass es eine Erlösung für sie wäre, wenn er sie einschläfert. Sie würde ganz sanft einschlafen und nichts spüren. Auch meine Bedenken, was denn meine Tochter dazu sagen würde, konnte er entkräften. Er sprach von Verantwortung dem Tier gegenüber und bot mir an, sie zur Einäscherung zu geben. Er hatte sogar einen Katalog da und ich konnte mir eine Urne aussuchen, dann hätten wir sie bei uns und könnten sie nach einer gewissen Zeit an einem passenden Ort begraben. Das würde meiner Tochter doch auch gefallen.

Er sagte mir noch, dass ich natürlich dabei sein könnte, wenn er ihr die Spritze gibt, hat mir aber davon abgeraten, weil ich seiner Meinung nach nicht in der Verfassung dazu sei.

Ich glaube, ich habe alles falsch gemacht!“

„Aber Frau Gramschatz, dass die Behandlung nicht optimal gelaufen ist und jemand anderes vielleicht eine bessere Therapie für Becky gehabt hätte, lassen wir mal so stehen. Aber wegen der Entscheidung, Becky einschläfern zu lassen, brauchen Sie sich nun wirklich keine Vorwürfe zu machen. Ich persönlich finde es außerdem sehr schön, ein Tier einäschern zu lassen, viel schöner jedenfalls, als es in eine Tierkörperbeseitigungsanstalt zu geben.“

Da hatte ich wohl etwas ganz und gar Falsches gesagt, denn Frau Gramschatz begann zu weinen und konnte sich kaum beruhigen.

„Bis dahin war es ja auch nur die Schwere der Entscheidung, die mich belastete. Aber in den Tagen danach traf ich einen Bekannten, den ich schon länger nicht mehr gesehen hatte und er fragte nach Becky. Als ich von ihrer Krankheit erzählte und dass ich sie hatte einschläfern lassen, kam er von sich aus auf Dr. Soundso zu sprechen. Von dem erzählt man sich, sagte er, dass der Medikamentenversuche an Hunden vornimmt, die von der Pharmaindustrie bezahlt werden.

Ich fiel aus allen Wolken. Dr. Soundso war Beckys Tierarzt und das sagte ich auch meinem Bekannten. Der wiegelte sofort ab, nach dem Motto: Naja, es wird ja viel erzählt. Und er hätte ja längst keine Praxis mehr, wenn da was dran wäre.

Glauben Sie mir, das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und für meine Tochter passt das auch alles zusammen.

Als der Anruf kam, ich könnte die Urne jetzt jederzeit abholen, krampfte sich bei mir alles zusammen. Ich habe dann noch zwei Tage gewartet, bis ich sie abgeholt habe. Meine Tochter wollte, dass ich ihn wegen des Verdachts fragen sollte. Meine Güte, was meinen Sie denn, was der mir erzählt hätte?

Dass er Hunde mit Medikamenten behandelt, die noch nicht zugelassen sind, um deren Wirkungen zu dokumentieren? Dass es vorkommt, dass diese Medikamente Krebs verursachen. Dass er die Tiere am Ende ihres Leidens vielleicht sogar noch lebend an ein Labor weitergibt? Kann ja sein. Ich war ja nicht mal dabei, als sie gestorben ist!

Oder dass er die eingeschläferten Tiere an ein Labor abgibt, das sie dann aufschneidet und alle möglichen Untersuchungen vornimmt? Wenn er sich wirklich auf sowas eingelassen hat, würde er mir das ganz bestimmt nicht erzählen.

Ich bin dann also hin, die Sprechstundenhilfe ist in den Praxisraum gegangen und hat ihm gesagt, dass ich da bin, er hat sich aber nicht sehen lassen.

Und jetzt habe ich die Urne hier stehen und wir wissen gar nicht mehr, was wir denken und was wir glauben sollen.“

Es folgte dann noch ein längeres Gespräch, dass ich aber nicht unbedingt wiedergeben muss. Es diente eigentlich nur der Beruhigung von Frau Gramschatz.

Wozu soll man da auch raten?! Natürlich wäre es schön, wenn ein Labor Gewissheit schaffen könnte. In beiden Richtungen. Wäre mit dokumentierter Sicherheit Beckys Asche in der Urne, so hätte zumindest dieser Punkt des Geschehens an Macht verloren.

Wäre mit dokumentierter Sicherheit nicht Beckys Asche in der Urne, hätten sie einen guten Ansatzpunkt, eine stichhaltige Erklärung dafür zu verlangen.
Aber die Wahrscheinlichkeit, eine hundertprozentige Aufklärung zu bekommen, ist nun mal verschwindend gering.

Gramschatzens werden damit leben müssen.

Sicherlich, es war nur armseliges Gefasel, was ich Frau Gramschatz zum Abbau ihrer Schuldgefühle vortragen konnte.

So etwas von: nächstem Hund, der Freude bringt, Liebe geben, aus Fehlern lernen, in guter Erinnerung behalten.

Ein Versuch, Trost zu geben.

Was man so sagt, wenn man nichts sagen kann.

Wer ist in der Urne? 1.Teil
Wer ist in der Urne? 2.Teil
Wer ist in der Urne? 3.Teil
Wer ist in der Urne? 4.Teil

Wer ist in der Urne? IV.

Frau Gramschatz hat uns inzwischen wieder angerufen. Sie hat sich mit ihrer Tochter besprochen und beiden ist die 1-2prozentige Wahrscheinlichkeit, überhaupt ein Ergebnis zu bekommen zu gering, um die geforderte Summe dafür zu investieren.

Tochter Gramschatz versucht nun in den USA ein Labor zu finden, dass ihr mit vielleicht besseren analytischen Methoden eine größere Chance, Gewissheit über ihren Hund und dessen Asche zu erlangen, verspricht.

Jetzt wird es Zeit, nach dem „Warum“ der ganzen Aktion zu fragen.

„Das Alles scheint Sie ja sehr zu belasten“, sage ich nur und schon fängt Frau Gramschatz an, zu erzählen. Ich bemerke sofort, wie sehr sie emotional beteiligt ist und schweige.

„Unsere Becky gehörte doch mit zu unserer Familie. So eine liebe Hündin, sie verstand jedes Wort. Und nie war sie krank, immer putzmunter und quirlig.

Bei einem Impftermin stellte unser Tierarzt dann eine Arthrose fest, die er auch gleich behandelte. Wir hatten das gar nicht so richtig bemerkt. Beim Ballspielen hatte sie sich mal versprungen und ein paar Tage ein bißchen gehumpelt. Dann war es auch wieder gut. Dass das eine Arthrose war, hätten wir von uns aus wohl nicht gedacht.

Eine Zeit lang später mussten wir wieder zum Tierarzt, weil sie sich ständig kratzte. Der Tierarzt fragte dann auch gleich nach der Arthrose, wir sagten, wir könnten nichts bemerken. Er meinte, sie müsse auf jeden Fall weiter behandelt werden. Und wir wollten doch nur alles Gute für Becky.

Er gab ihr eine Spritze gegen das Jucken und wir bekamen ein Tütchen mit Tabletten, die wir ihr regelmäßig geben mussten. Inzwischen bemerkten wir das Humpeln auch. Sie ging manchmal richtig steif.

Das Jucken war nach den Spritzen immer weg, wurde dann aber wieder schlimmer. Und das Laufen fiel ihr auch immer schwerer.

Unser Tierarzt gab uns immer wieder andere Tabletten mit und bei jedem Besuch bekam Becky eine Spritze. Das hat uns jedes Mal ganz schön was gekostet.“

„Wenn es ihr aber doch immer schlechter ging, warum sind Sie denn nicht mal zu einem anderen Tierarzt gegangen, oder mit ihr in eine Tierklinik gefahren. Ausserdem gibt es ja auch noch Tierheilpraktiker. Ich meine, in diesem Fall hätten Sie doch gut eine weitere Meinung einholen können.“

„Ach Herr Frevert, ja, das hätten wir wohl besser gemacht, wenn ich jetzt so zurückdenke. Aber wir fühlten uns immer gut beraten, und dann war meine Tochter auch noch in Amerika. Da wollte ich dann auch nichts ändern.

Und dass es Tierheilpraktiker gibt, weiß ich auch erst seit jetzt, wo ich Ihre Seite im Internet gefunden habe.

Jedenfalls ging es ihr eigentlich immer schlechter. Beim Streicheln habe ich dann so Gnubbel unter der Haut gefunden. Der Tierarzt meinte, das könnte auch bösartig sein, hat ihr dann noch Blut abgenommen. Beim nächsten Mal sagte er, er müsste sie operieren, wenn es aber Krebs wäre, könnte es sein, dass sich schon Metastasen gebildet hätten.

Was meinen Sie, wie es mir da ging? Ich sagte ihm, ich muss das erst mit meiner Tochter besprechen und er sagte:

Fragen Sie ihre Tochter am Besten gleich mal vorsichtig, ob wir Becky nicht besser einschläfern sollten. Sie kann kaum noch laufen, kriegt nicht mehr richtig Luft und hat diese Tumore. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Am nächsten Morgen hatte sie in ihr Körbchen gemacht, mit Blut überall.“

So, liebe Leser, es war ein langer Tag. Wird Zeit für mich zur Ruhe zu kommen.
Nicht böse sein! Ich mache das nicht, um euch zu ärgern.
Aber ich kann den Rest der Geschichte heute nicht einfach so hier hinschlampen.

Immerhin wissen Mandy und ich jetzt endlich, warum die Gramschatzens Gewissheit haben möchten.

Wer ist in der Urne? 1.Teil
Wer ist in der Urne? 2.Teil
Wer ist in der Urne? 3.Teil

Wer ist in der Urne? III.

Vorhin hat sich Frau Gramschatz wieder gemeldet. Sie fragte, ob wir schöne Ostertage verlebt hätten, wir bedankten uns für den 20€-Schein.
Ein bißchen Smalltalk, bevor wir ihre eigentliche Frage zu beantworten versuchen:

„Ist es möglich, durch einen DNA-Vergleich die Asche aus der Urne mit den Haaren aus der Hundebürste und vom Liegeplatz abzugleichen? Kann ein Labor bestätigen oder ausschließen, dass beide Proben vom gleichen Hund stammen?“

Wir beantworten zunächst die Frage, die Frau Gramschatz gar nicht gestellt hatte. Die vom Labor veranschlagten Kosten von 600-800€ scheinen sie aber nicht allzusehr zu beeindrucken.

Wohl aber, dass die Wahrscheinlichkeit, aus der Asche DNA isolieren zu können nur bei 1-2 Pozent liegt, abhängig davon, ob nur Aschenstaub oder ob noch feste Knochenbestandteile vorhanden sind. Aber auch die Haare sind nicht unproblematisch. Zur Bestimmung werden die Haarwurzeln benötigt.

So haben es uns die zwei Labore mitgeteilt, die wir befragt haben und so geben wir es an Frau Gramschatz weiter.

Sie muß sich jetzt erst einmal mit ihrer Tochter beraten, will uns über ihre Entscheidung aber jedenfalls informieren.

Mandy und ich versuchen immer, nicht zu sehr in die Privatsphäre unserer Patientenbesitzer einzudringen, wenn der Fall es nicht zwingend erfordert. Hier werden wir von diesem Prinzip abweichen. Nächstes Mal fragen wir nach den Gründen, die Frau Gramschatz und ihre Tochter so begierig der einen Frage nachgehen lassen:

„Wer ist in der Urne?“

1. Teil
2. Teil

Wer ist in der Urne? II.

Heute morgen bringt uns unser Postbote einen Brief von Frau Gramschatz, die sich fuer das nette Gespraech und unsere Bemuehungen mit einem Zwanziger bedankt.
Sie hofft, dass wir ihr weiterhelfen koennen und wird uns in den naechsten Tagen anrufen.

Tje, so wirklich gute Nachrichten werden wir ihr nicht uebermitteln koennen.

Wer ist in der Urne? 1.Teil

Wer ist in der Urne?

Gestern abend klingelt zur Tagesschauzeit unser Telefon.

Mandy geht ran, ich hoere interessiert zu.

Eine Frau Gramschatz moechte wissen, ob wir unsere Laboruntersuchungen selber machen.

Mandy erklaert ihr, dass wir mit einem unabhaengigen Labor zusammenarbeiten, das die verschiedensten Analysen fuer uns erstellt. Zwar waere es uns grundsaetzlich moeglich, einige Untersuchungen selbst durchzufuehren, aber aus diversen Gruenden ist es uns lieber, einen objektiven Befund von einem neutralen Labor zu erhalten.

Die Anruferin druckst jetzt etwas herum, sie benoetigt naemlich eine ganz besondere Leistung, die sie nach Mandys Hinweis, dass wir schon wissen muessen, worum es geht, endlich benennt.

Ihre Tochter, die Besitzerin des Hundes, um den es geht, bezweifelt, dass nach dessen Einschlaeferung und Kremation wirklich die Asche dieses Hundes in der Urne gelandet ist, die jetzt bei Mutter auf dem Kaminsims steht.
Waehrend ihre Tochter fuer mehrere Monate in den USA weilte, hatte Frau Gramschatz auf Anraten des behandelnden Tierarztes dem Einschlaefern des Hundes zugestimmt und darum gebeten, seine Einaescherung zu veranlassen.

Mandy ist leicht irritiert, sie wuesste gerne mehr, aber Frau Gramschatz spricht nur davon, dass die Zweifel ihrer Tochter wohl begruendet waeren.

Ja, wir koennen beim Labor anfragen, muessen aber vorher noch wissen, was als Vergleichsmaterial zur Verfuegung steht, schliesslich ist der Hund ja verbrannt worden.
Frau Gramschatz hat noch Haare des Hundes auf seinem Liegeplatz gefunden. Vielleicht kann ja die DNA aus der Asche mit der aus den Hundehaaren verglichen werden.

Mandy verspricht, unser Labor zu kontaktieren, Frau Gramschatz will sich naechste Woche wieder bei uns melden.


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