Irgendwo in den umliegenden Haeusern sitzt er mit geladenem und entsicherten Praezisionsgewehr hinter dem spaltbreit geoeffnetem Dachfenster und wartet auf den Delinquenten. Wenn sich ein Verdaechtiger dem 25×1,25m grossem Wegrandbereich naehert, dessen Rasen von dem Sniper kunstgerecht und voller Leidenschaft beschnitten wird, beginnt sein Herz heftiger zu schlagen, sein Zeigefinger bewegt sich vorsichtig, ganz behutsam, bis er den kalten Stahl des Abzug spuert. Er hat eine Laserpoint-Visierung auf der Waffe montiert, eingeschossen ist sie auf exakt 57 Meter. 56 Meter betraegt die Entfernung zwischen Zieloptik und Strassenrand, er hat sie mit einer Maurerschnur ausgemessen, einen Meter hat er hinzugerechnet, weil er die meisten Schisse naeher am Acker-, als am Wegesrand festgestellt hat.
Seine kleine Rasenflaeche ist eine gepflegte Kleinstinsel zwischen Stoppelfeld und staubigem Weg, rund um die von ihm gehaetschelte Enklave aber herrscht Wildwuchs. Schwer faellt es ihm, diesen zu tolerieren und gerade deshalb nimmt er die Verantwortung fuer sein Kleinod todernst.
An der Drehbank in seinem kleinen Kellerraum hat er einen Schalldaempfer mit Innengewinde gebaut, die Anleitung dazu hat er im Internet gefunden, legal kaufen konnte er den Knallschlucker in Deutschland nicht. Auch das Aufnahmegewinde an der Laufmuendung hat er selbst geschnitten.
Fuer seine 223. Remington beschaffte er sich auf Umwegen spezielle Subsonic-Munition. Er weiss alles ganz genau, ihm kann man nichts mehr vormachen. Er weiss, der Schalldaempfer kann den Muendungsknall nur auffangen, wenn die Geschossgeschwindigkeit beim Verlassen des Laufs unterhalb der Schallgeschwindigkeit von 343.42 m/s bei +20.0 °C liegt.
„Nun mach schon, wag es, du wirst schon sehen, was du davon hast. Glaub mir, das wird dein letzter Schiss!“, beschwoert der Scharfschuetze lautlos sein Opfer.
Durch das vollverguetete Zeiss-Zielfernrohr mit 6-facher Vergroesserung sieht er den roten Laserpunkt auf den hellen Haaren tanzen, aber noch gibt es keinen Grund zur Selbstjustiz. Die fuerchterliche Tat, die Tat, fuer die er oeffentlich und fuer jeden sichtbar die Todesstrafe verkuendet hat, ist noch nicht geschehen. Sein Herz pocht jetzt beinahe schmerzhaft laut, er kann hoeren, wie das Blut durch die Halsschlagader gepeitscht wird. Aber er kann warten, er hat Zeit…
„Komm weiter, Harro!“ ruft Frau Seewein, Harro pinkelt noch schnell an den Pfahl, der das Schild mit der Todesstrafenandrohung traegt und…
…laeuft hinter Frau Seewein her.
Pinkeln gilt nicht!
Na das wird ja immer doller, aber Dein Artikel dazu ist klasse, hättest Krimiautor werden können.
LG Soni
@Soni,
Vielen Dank, habe mir Muehe gegeben. 😉
Zur Sache: Das Schild hat mich echt aufgeregt.
Ich habe es mir verkniffen, darauf hinzuweisen, dass ich Hundehalter verurteile, die die Hinterlassenschaften ihres Vierbeiners nicht nachsorgen. Das bringt alle in Verruf und zeugt von fehlender sozialer Reife.
Aber die durch dieses Schild ausgedrueckte Drohung, im Falle des Falles von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, finde ich ebenfalls recht(lich) bedenklich.
Vielleicht sollte ich den Lawblogger mal um eine Bewertung bitten. 😉
Manchmal nehme ich mir das Recht, humorlos zu sein. (nur fuer den Fall, dass das Schild als Gag gedacht ist)
Als Gag hatte ich das Schild bei Dir nicht aufgefasst und es ist wirklich völlig daneben.
Muss Dir aber Recht geben, Hundehalter, die keine Häufchen ihrer Hunde entsorgen regen mich auch auf. Tja, gibt auf jeder Seite solche und solche, wie überall.
LG Soni
Ihre Waffenkenntnisse sind bemerkenswert. Ihr Mißbrauch technischer Details zum Schußwaffengebrauch ebenfalls. Die Darstellung des Waffeneinsatzes läßt sich nur mit den Intentionen de(s)(r) Autor(s)(in) erklären.
Es gibt viele verschiedene Moeglichkeiten, sich mit einem Thema auseinander zu setzen. Eine davon ist es, Dinge ueberspitzt darzustellen. Dazu gehoert auch, sich über das, was man beschreibt, kundig zu machen, um es nicht allzu dilettantisch erscheinen zu lassen.
Jedem aufmerksamen Leser meines Artikels und meines dazugehoerigen Kommentars duerfte wohl deutlich klar geworden sein, worin meine Intention beim Schreiben des Beitrags bestand.
Naja Ulli, das ist doch so:
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Wissen wir.
Wer lesen kann und weiß, wo man das Gelesene verarbeiten lassen kann, der hat zumindest gute Beziehungen.
Wer lesen kann und das Gelesene sogar selbst versteht, der ist… oh, jetzt verbietet mir meine Bescheidenheit, weiter zu schreiben. Ich hatte es nämlich auf Anhieb verstanden… 😉
@Renate
Das geschriebene Wort laesst immer auch Raum fuer Interpraetationen. Ich schreibe ja gerne Texte, ueber die man einen Moment nachdenken, seine eigenen Schluesse ziehen und Fragen stellen darf.
Dass das Raum gibt, ein bisschen zu uengern, ist schon klar und wird von mir auch bis zu einem gewissen Punkt geduldet.
Genau das macht deine Texte ja grad so sympathisch und lesenswert. Wer’s nicht versteht, ist ein armer Tropf…
Um auf das Schild zurückzukommen: vermutlich hat der Schöpfer das kostbare Stück wirklich für ungemein witzig gehalten. Ich bin aber auch so eine humorlose Kreatur, die darüber nicht lachen kann – über die Pointe deines Textes allerdings um so mehr 😀
Merci vielmals